Balkanbeats in Boltenhagen
War das ein Wochenende! Nach unruhiger kurzer Nacht bin ich am Samstag nach Boltenhagen an der Ostsee in Meck.-Pom. gefahren, um dort auf einer Hochzeitsfeier aufzulegen. Das gastgebende Paar (René und Christine) hatte mich über das Internet entdeckt und wollte musikalisch einmal etwas anderes bieten, so zum Beispiel auch Balkanbeats. Leider dauerte die Fahrt gut sieben Stunden, zahlreiche Staus, ein Unfall fast vor meiner Nase sowie eine harte Sonne zerrten an den Nerven. Da ich früh losgefahren war, kam ich rechtzeitig an und hatte sogar noch Zeit für ein wohltuendes kühles Bier und etwas Entspannung, bevor ich zum Abendbüffet die ersten nujazzigen Klänge auflegte.
Das Ferienhaus an der Steilküste hat eine hervorragende Lage für eine Open Air-Feier. Es kam dort zudem schnell die Atmophäre einer schönen Familienfeier bei mir an. Kinder und Erwachsene spielten Fussball und Tischtennis, kleine, aber nicht in übertriebener Anzahl vorgetragene Spiele und Vorträge sorgten für gute Laune. Zuvor habe eine Big Band Jazzstandards zum Besten gegeben. Die Ostsee war friedlich und brachte auf blauer See sanfte Wellen an den Strand. Recht schnell hatte ich ersten Gäste auf der Tanzfläche und ich bemerkte, dass es wohl eine stilsichere und breite Mischung aus Pop und Weltmusik sein müsse. Zwar konnte ich nicht alle Wünsche der älteren Gäste erfüllen, aber das nahm man mir nicht übel. Die jungen Freunde des Hochzeitspaars und das Paar selbst waren jedenfalls erfreut über die Musik. So hatte ich gut sieben Stunden bis Halbdrei in der Frühe geradezu immer eine Reihe glücklicher Gäste auf der Tanzfläche.
Der Gastgeber René und einige Gäste versorgten mich freundlich mit Getränken und einem Teller vom Buffet, den ich kaum anrührte, so konzentriert und kommunikativ war ich bei der Arbeit gefordert. So kamen zwischendrin drei aufgeweckte Kinder, die meine Sammlung unter die Lupe nahmen und ans Mikrofon wollten, um ihre Großeltern auf die Tanzfläche zu locken. Ich gewährte ihnen zwei Einsätze, musste mich dann aber auf Wünsche, Musikauswahl und kleinere Unterhaltungen konzentrieren. Schön war das Statement einer Frau, die mir versicherte, dass ich für ihre Hochzeitsfeier auf jeden Fall gebucht würde (sie schnappte sich dann um Mitternacht auch keck den Brautstrauß vor der Nase einer anderen Frau weg).
Insgesamt taten die Gäste einen Großteil dazu bei, dass der Abend ein sehr schöner wurde. Wünsche wurden mit der Wendung „wenns passt“ herangetragen, was nicht selbstverständlich ist. Es gibt Leute, die können den ganzen Abend nerven, wenn sie ihren Song nicht bekommen, selbst wenn ich schwörend und niederknieend versichere, dass ich ihn nicht dabei habe. Aber diesmal hatte ich Glück und konnte die meisten Wünsche oft auch prompt erfüllen. Zum Schluß gab es dann richtig fett Balkanbeats, die weit bis ins Dorf hinausschallten und die begeistert angenommen wurden. Nach einer wilden Mischung aus Rock ’n‘ Roll, „Achtziger“-Mainstream und New Wave, Brit Pop und Hip Hop, Latin und Balkanbeats, Mestizo und Reggae sowie einigen netten aktuellen Hits sorgte Ein Tag am Meer von Fanta 4 für den Abschluß, den man mir ohne weitere Wünsche als gelungenen abnahm.
Gegen 3 Uhr bin ich dann zum vorgebuchten Hotel gefahren. Nur leider hatte ich zuvor das Einchecken vergessen, auch weil ich dachte, ein großes Gutsthaus würde einen Nachtportier haben. Aber das war nicht der Fall. So was Blödes, rügte ich mich, nahm es aber gelassen. Ich döste eine Stunde im Wagen vor mich her, vernichtete meine Plätzchenvorräte, trank Wasser und versuchte zu schlafen. Aber summendes Getier um die Ohren brachte mich zu dem Entschluß, zurückzufahren. Tief sog ich die gute Luft ein und eine liebliche, in der Dämmerung liegende Landschaft mit langen Baumalleen und sanftwelligen Feldern begleitete mich bis zur Autobahn. Zwei Stunden raste ich dann auf nahezu autoleeren Strecken, bis ich einen dieser tükischen Momente erlebte, in dem sich für einen Sekundenbruchteil das Bewusstsein abmeldet. So steuerte ich die nächste Raststätte an, lag für gut eine Stunde tot im Auto und fuhr nach einem Frühstück weiter. Zum EM-Endspiel war ich dann wieder einigermassen auf dem Damm und freute mich über den verdienten Sieg der spanischen Mannschaft. War das ein Wochenende!
30.06.