Gesucht: balkanbeats sampler

Hoppa: Balkanbeats und Django-Groove

Beim diesjährigen Tanz in den Mai im Drübbelken von Recklinghausen habe ich zwischen den Songs aus 30 Jahren Pop und Rock immer wieder Weltmusik eingestreut, die die ausgelassene Stimmung noch hob. Auch die Balkanbeats auf dem gleichnamigen 2. Sampler von DJ Soko trugen dazu bei, dass auf den Bänken getanzt und auf der Tanzfläche gejubelt wurde. Den Anfang machte KAL, die „heiße Gypsy-Band aus Belgrad“. Ihr Song Mozarella versprüht unwiderstehlichen Django-Groove und eben diese ins Fröhliche gesteigerte Melancholie und Unmittelbarkeit, die den neuen und alten Balkansound so liebenswert machen.

Balkanbeats Volume 2

Gut an kam auch der Song Hora evreiascae von Fanfare Ciocarlia. Die treibenden Bläser und eine Klarinette mit Klezmer-Anmutung führen zur ausgelassenen Bewegung. Im Booklet werden die zwölf Zigeunermusiker als die „wahrscheinlich schnellste Blaskapelle auf diesem Planeten“ vorgestellt.

Insgesamt ist „Balkanbeats volume 2“ eine hervorragende Mischung, die man durchaus eine Zeit rauf und runter hören kann, wobei das letzte Stück namens Moldavian Song von Emir Kusturica And The No Smoking Orchestra einen sehr schönen wehmütigen Schlusspunkt setzt. Nicht zu verachten ist auch das Video Ki itt a legény mit Karaván und den berühmten Boban Markovic, der mich bereits auf dem ersten Balkanbeats-Sampler begeisterte hatte. Lobenswert ist auch wieder das schöne Booklet mit Bildern und Informationen über DJ Soko, die Erfolgsgeschichte des Balkanbeats und die Bands.

Neben DJ Soko ist sicher auch der Frankfurter DJ und Produzent Stefan Hantel, besser bekannt als Shantel, für die Popularität des Balkanbeats verantwortlich. Der aktuelle Shantel-Sampler „Bucovina Club Vol. 2“ steht dem aktuellen von DJ Soko in nichts nach. Er scheint mir insgesamt etwas elektronischer, ohne dass der Balkangroove durch elektronische Sterilität kaputtgemixt wurde.

Cover von Bucovina Club Vol. 2

Der absolute Tanzknaller auf Bukovina 2 heißt Mahalageasca (Bucovina Dub) und reizt mit einer unverwechselbaren Tuba den Tanztrieb dermassen an, dass es eine gesteigerte Freude ist. Gelungen finde ich auch den „Balkan Mix“ von Ya Rayah, den Klassiker von Rachid Taha, der beim Auflegen noch nie in die Hose ging. ;-)

Wer kaum den Balkanbeat und Gypsy-Groove wahrgenommen hat, dem seien die folgenden informativen Texte und Hörproben empfohlen. Ich werde mit der Zeit weitere CDs und Bands hier vorstellen.


Balkan Fever London – Mind the brass

Die überraschend guten Balkanbeat-Sampler sind rar geworden. Umso erfreulicher ist, dass Anfang des Monats eine Compilation auf den Markt kam, die frischen Wind ins Genre bringt. Balkan Fever London wird sie gerufen. Sie ist durchgägngig gut und so habe ich sie mir komplett zum Geburtstach geschenkt – 49? Tatsächlich. Wie die Zeit vergeht! ;-)

balkan-fever-london


„Die Beats haben dann doch gewonnen“

Im Interview erzählt DJ Robert Soko über die „Geburtsstunde der BalkanBeats“, die Entdeckung der Roma-Musik und seine Arbeitsweise als DJ.

DJR: Du bist 1989 von Deiner Heimatstadt Zenica in Bosnien nach Berlin gezogen. Wie kam es dazu und wie waren Deine ersten Erfahrungen in Deutschland?

DJ Soko: Damals als junger Mensch wollte ich unbedingt ins Ausland, um zum Beispiel eine Fremdsprache zu lernen und etwas anderes zu sehen und zu erleben. Es ergab sich eine Gelegenheit nach Holland zu gehen, so landete ich erstmal in Rotterdam, wo ich ein Jahr verbrachte. Ich war auch auf der Suche nach einem Job.
Danach ging ich nach Deutschland und kam schließlich dank einer Frau nach Berlin, damals Ost-Berlin. Um ehrlich zu sein, hat es mir in der ersten Zeit gar nicht sooo gefallen. Später aber entdeckte ich die Vielfältigkeit Berlins und seine vielen Gesichter. Ich fing an, Berlin zu lieben und bis heute noch bin ich ein Berlin-Fan und liebe die Stadt sehr. Gelebt habe ich in der Zeit von verschiedenen Jobs vom Bauhelfer bis zum Taxifahrer. In den letzten vier Jahren habe ich als Sprecher und Moderator fürs Radio und TV Deutsche Welle gearbeitet.

DJR: Und die DJ-Karriere, wie begann die?

DJ Soko: Als damaliger Taxifahrer fing ich an, sporadisch Musik in der Kreuzberger Kneipe Arcanoa aufzulegen. So hat es begonnen. Aus Spaß feierte ich mit anderen Ex-Yugos die alten sozialistischen Feiertage, die nicht mehr gefeiert wurden. Das nannte ich Cultur-Recycling. Diese Idee kam gut an bei den jungen Flüchtlingen und im Laufe der Zeit besuchten immer mehr Menschen unsere „Partys“. Es hat sich halt herumgesprochen. Und das war die Geburtsstunde der „BalkanBeats“. Ich fand den Namen zu unseren „Aktivitäten“ passend. Am Anfang aber war die Frage: Nennen wir es BalkanBeast oder BalkanBeats, die Beats haben dann doch gewonnen. Und so wie es heute aussieht, ist der Begriff BalkanBeats eine Genre-Bezeichnung, eine Musikrichtung, die in ganz Europa benutzt wird und ich bin halt sehr froh darüber.

DJ Soko in Turin im November 2006
Foto: DJ Soko in Turin, November 2006

DJR: Wie hast Du die Roma-Musik entdeckt und was bedeutet sie für Dich?

DJ Soko: Also, die Roma-Musik kannte ich noch aus meiner Jugendzeit, allerdings war ich damals nicht so der richtige Fan dieser Musik. Dann aber in Deutschland, vor allem mit dem Durchbruch von Goran Bregovics Musik, entdeckte ich eine Neigung zu diesen Rhythmen, die sehr lebendig und tanzbar sind. Und so fing ich an, Roma-Musik zu sammeln und schließlich aufzulegen. Das, was ich sah, war sehr erfreulich: Die Leute tanzten sehr wild dazu und die Stimmung war großartig. Also, dachte ich, warum sollte man solche Musik nicht auflegen, zumal das keiner macht. Diese Musikrichtung war in Europa zu dieser Zeit sehr „unbekannt“ und wie man so schön sagt: „Nischenhaft“. Diesen Begriff hörte ich zum ersten mal von einer Frau, die für Sony BMG arbeitete. Das Wort war ihre Antwort auf meine Frage, ob Sony BMG vielleicht Interesse daran hätte, eine Balkan-Compilation zu veröffentlichen. Nein, hieß es, das wäre ihnen zu „nischenhaft“. Hey, das war Ende der Neunziger Jahre und heute, anno 2007, arbeiten Sony-Leute an einer grossen Balkan-Compilation. Interessant, nicht wahr?!

DJR: Im Laufe der letzten 5 oder 6 Jahre kam es ja zur Symbiose zwischen traditioeneller Roma-Musik und Elektro-Beats. Kannst Du sehen wie sich das entwickelt hat und welchen Anteil Deine Freunde und Du daran haben?

DJ Soko: Na ja, immer mehr DJs machen die gleiche Erfahrungen mit – sagen wir lieber Ethno-Musik und geben ihren „Senf“ dazu. Ich selbst war und bleibe ein „Selector-DJ“. Heißt, ich mache keine Remixe, ändere die Songs nicht, sondern meine „Aufgabe“ besteht eher in der „Entdeckung“ tanzbarer Lieder und der Vernetzung von DJs. Verschiedene DJs und Bands schicken mir mittlerweile ihre Musik zu. Und die meisten von ihnen sind froh, dass ich ihre Musik europaweit in den Clubs spiele. Und so kommt es auch dazu, dass meine Musiksammlung immer auf dem neusten Stand ist.

DJR: Wie entsteht so ein wunderbarer Sampler wie Balkanbeats Volume 2 mit diesen ganzen bekannten und unbekannten Musikern aus halb Europa?

DJ Soko: Wie gesagt, ich bin immer auf der Suche nach neuen Sachen und vieles bekomme ich mittlerweile zugeschickt. Dann machen wir eine Selection und zwar zusammen mit dem Publikum in den verschiedenen Clubs: Ich als DJ lege die Songs auf, die ich gut finde, mache also den Leuten Vorschläge. Und wenn ich sehe, dass die Leute dazu tanzen, weiss ich, was auf die CD kommen könnte, vorausgesetzt die Musiker selbst sind damit einverstanden. Also, in meinen Augen ist ein Sampler eher Resultat einer sogennanten „Interaktion“ zwischen DJ und dem Publikum, die Entscheidung wird sozusagen auf der Tanzfäche getroffen.

DJR: Wo und wie hast Du Dir damals deine Musik zum Auflegen besorgt, wie machst Du es heute?

DJ Soko: Früher habe ich die CDs selber gekauft, vor allem in den ExYu-Ländern. Heute gibt es halt Internet, das die ganze Sache beschleunigt hat. Der Mensch entdeckte MP3. :-)

DJR: Als DJ interessiert mich Deine Arbeit als DJ, technisch gesehen. Nur Vinyl, streng auf gleiche Geschwindigkeit fixiert? Oder spielt Technik kaum eine Rolle, weil Deine Sets wesentlich von den Gästen und der Atmosphäre im Raum abhängt?

DJ Soko: Kein Vinyl, schon lange nicht mehr. Nur CDs. Und die Technik spielt kaum eine Rolle in meinen Sets. Es geht viel mehr um mein Gefühl für die Atmosphäre, fürs sogenannte „up and down“ und die Gäste, die dazu tanzen. „Keep the room going“ ist die Regel Nummer eins.

DJR: Zuguterletzt aus Eigennutz gefragt: Ist der dritte Sampler bereits in Arbeit und wann kommst Du einmal ins Ruhrgebiet? ;-)

DJ Soko: Der dritte Sampler sollte im Februar 2008 rauskommen, allerdings habe ich die Musik dafür noch nicht, ein großer Teil fehlt noch. Ruhrgebiet? Na ja, sobald mich jemand einlädt, komme ich. :-)

DJR: Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg.

Links zum Thema BalkanBeats


Putumayo: Gypsy Groove

Ohne meine Putumayo-Sammlung würde mir beim Auflegen doch einiges an schönen Worldbeats-Songs fehlen. Ich sammel diese hervorragenden und informativen Sampler seit 1999 und bin oftmals begeistert darüber, wie es das Label immer wieder schafft, diese Mischung aus traditioneller und elektronisch gestützter Tanz- und Hörmusik aus aller Welt zu machen. Ein gutes Beispiel für dieses gute Händchen der Putumayo-Macher ist der 2007 erschienene Sampler Gypsy Groove, der abwechslungsreiche Balkanbeats aus aller Welt vorstellt. Für mich sind ein paar neue Perlen dabei, was erfreulich ist, denn so wenig Balkanbeats-Sampler habe ich nun auch nicht ;-).

Gypsy Groove von Putumayo

Hervorragend gefallen mir die Amsterdam Klezmer Band mit Sadagora Hot Dub (Shantel Remix) (den man durch Hot Loops auch verlängern kann), das Luminescent Orchestrii mit dem stimmungsvollen Amari Szi, Amari (oh, die schöne Geige!) und der !DelaDap Remix Vino lubirea von Eastenders mit DJ Stefan Mueller und Cem Buldak. Und für Leute, die nur hören wollen und die Balkanbeats bereits etwas in ihre Hörgewohnheiten integriert haben ;-), wird dieser Sampler wohl ein Volltreffer sein. Zum Einstieg in diese stimmungsvolle und höchst tanzbare Musik eignet er sich allemal.


Die Koffer sichten

In den letzten 12 Jahren habe ich jede Menge tolle Sampler gekauft, die die Trends in den Clubs und die Popularität schwarzer Musik wiederspiegeln. Acid Jazz, Jazz, Hip Hop, Soul Jazz, Latin in den verschiedensten Spielarten, Ethno mit elektronischem Einschlag, Balkanbeats, Salsa, Old und Nu Funk und wie die Schubladen auch alle heissen mögen. Ich werde die besten Sampler im Laufe der Zeit hier vorstellen und Hörproben geben. Ich werde auch über Funde im Netz berichten und meine aktuellen Playlists und Sampler vorstellen. Das wird hoffentlich nicht nur mir Spaß machen. Wir werden sehen, was kommt.

11.05.


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