„Hinter den richtig guten Sachen steht schon auch ein Songwriting“

Als ich vor einiger Zeit die Tracks Nightflight und den Remix Black Market von dem Duo Schwarz & Funk entdeckte, war ich recht begeistert von dieser Art House, der vielseitig und feinschichtig in den Ohren schwingt. Neugierig geworden vereinbarte ich mit dem Musiker Bob Schwarz und dem DJ Jesse Funk ein Email-Interview. Darin erzählen sie über ihre Zusammenarbeit, ihre aktuellen Projekte und die zwei Seiten des Internets für Musiker.

Aus einem Text über Euch schliesse ich, dass Ihr alte Hasen im Musikgeschäft seid. Was habt bisher alles gemacht, ausprobiert und versucht rund um das Leben und Arbeiten mit der Musik?

Jesse: Wir produzieren seit über 10 Jahren zusammen Musik, Schwerpunkt Chillout und House. So sind bisher über 150 Tracks entstanden. Ein guter Teil davon auch unter anderen Pseudonymen wie Deeparture, Eivizzards, Indigo Seven, Daddy Pete und Sunseeker. Unsere Musik wurde schon auf unzähligen Compilations verkoppelt. Da verliert man schon selber ein wenig den Überblick. Teilweise wurden die Tracks als Corporate sound auf Webseiten verwendet z.B. Alfa Romeo, TUI, Lufthansa. Letztes Jahr haben wir im Auftrag von Lifted House/Denmark einige Remixe gemacht, zum Beispiel „Ida Corr“, „Mental Generation“, „Future Sound of London“.

An welchen Projekten arbeitet Ihr zur Zeit?

Jesse: Wir haben eigentlich immer Tracks, an denen wir zeitweise arbeiten, rüsten momentan unsere Studios auf und hatten in letzter Zeit viele Gigs, Bob als Musiker und ich als DJ. Wir wollen heuer aber noch eine Menge neuer Chill und House Tracks machen und etwas mehr in die Elektro- und Minimal-Ecke gehen. Außerdem wollen wir 2010 ein Best of Album releasen.

Wie habt Ihr Euch kennengelernt und was hält Euch bei der gemeinsamen Arbeit zusammen?

Bob: Wir haben uns bei unserer Tätigkeit beim Lokalradio kennen gelernt. Ich als Producer und Jesse als Moderator und DJ. Wir haben durch die gemeinsame Arbeit sehr viel voneinander gelernt. Ein Musiker hat eine ganz andere Sichtweise auf die Arbeit wie ein Producer oder DJ. Wir vertrauen uns da gegenseitig absolut. Wenn Jesse sagt: Das und das fliegt raus, dann akzepiere ich das. Und wenn ich sage, das und das funktioniert so musikalisch nicht dann akzeptiert das Jesse. Das ergänzt uns optimal. Und die Ergebnisse finden wir dann beide eigentlich optimal.

Ich finde Eure Musik vielseitig und immer für Überraschungen gut. Was sagt Ihr selbst zu Eurem Stil und über das Experimentieren mit „different styles“?

Bob: Wir inspiriren uns meist durch die Musik, die wir gerade so auch nebenher hören. Oder wenn wir eine Sample-Bibliothek durchhören. Einige Songs von uns sind regelrecht um ein Soundsample herumgebaut. Abwechslung ist uns beiden auch wichtig. Nach drei vier Chill Produktionen haben wir dann echt wieder Bock, eine House Nummer zu machen.

Mich interessiert auch, wie bei Euch ein Song entsteht. Was inspiriert Euch, wie entstehen erste Ideen, wie feilt Ihr am Sound, wie integriert Ihr Gastmusiker?

Jesse: Uns inspirieren natürlich auch die grossen Jungs in den Bereichen sowie die Altmeister der 80er Jahre. Das Meiste heute produzierte hört sich oft nach try and error an. Die meisten Electro- und Minimal-Produzenten wissen gar nicht, was ein Akkord ist und drehen an Parametern, welche sie garnicht verstehen.

Bob: Hinter den richtig guten Sachen steht schon auch ein Songwriting: das mag relativ simpel sein, ist aber durchdacht.

Jesse: Gastmusiker haben wir auch ab und an, falls sie nicht zu anstrengend werden :-)). Von daher sind wir am liebsten alleine am start.

Welches technische Equipment ist zentral für Eure Arbeit?

Jesse: Wir arbeiten ausschliesslich mit Pro Tools, zu 90% mit Audio files und verwenden einige externe Hardware Effekte.

Was tut Ihr, um von der Musik leben zu können und wo seht Ihr Eure Erfolge?

Jesse: Naja, auflegen, live spielen, hin und wieder ein paar Jobs. Wir sehen unsere Arbeit im Studio als ein must do, nicht um unbedingt viel Geld damit zu verdienen. Wir wollen ja nicht Hitparade oder Schlager machen.

Bob: Um davon leben zu können, muss man schon sehr sehr gut sein, hart arbeiten, und viel Glück haben. Man muss da schon eher Geschäftsman sein, als Musiker. Erfolg ist so ne Frage, die wir wohl schlecht beurteilen können. Denke aber, im Bereich Chillout sind wir recht gut vertreten. Waren wohl auf fast allen wichtigen Compis mit drauf… Und auf 3 mal auf die Cafe del Mar zu kommen, macht uns schon stolz und gibt uns auch die Bestätigung, dass unsere Musik mit anderen grossartigen Künstlern mithalten kann.

Seht Ihr einen aktuellen Trend in der elektronischen Musik?

Jesse: Einen wirklichen Trend sehe ich nicht, da es gerade im Housebereich soviele Bereiche gibt, welche man gar nicht mehr überblicken kann. Ich denke aber, der Trend geht generell wieder in Richtung Musik anstatt nur zu Geräuschen.

Rund ums Musikgeschäft wird viel prophezeit, das Ende des Vinyls und der CD, das Internet als die Killerapplikation gegen die Musikindustrie. Wie nehmt Ihr die Entwicklung wahr und welche Vor- und Nachteile hat für Eure Arbeit das Internet?

Jesse: Naja, die CD wird sich doch noch ein wenig halten. Der Trend geht natürlich in Richtung digital. Die Jugend nutzt ja jetzt schon ausschliesslich virtuelle Datenträger wie iPod, Computer, Homeentertainment etc.

Bob: Vinyl wird nicht sterben, eher eine kleine Nische belegen für DJs und HIFI-Enthusiasten. Ich kenne DJs, die ausschliesslich mit Vinyl spielen (Drum & Bass, minimal…).

Jesse: Die Plattenindustrie war einfach zu gierig, hat lange geschlafen und bekommt jetzt riesen Probleme – selber schuld! Ich denke, das Internet hat gute und schlechte Seiten. Man hat als Künstler heute vielmehr Möglichkeiten als früher. Schlimm ist für alle Künstler, dass man jeden Song illegal runtersaugen kann. Das ist echt übel. Das Zweite was mich wirklich nervt, ist, dass sich so eine Unmenge an übler Musik in Download-Portalen befindet. Es ist schier unmöglich, schnell etwas Gutes zu finden. Einige Portale wirken da schon entgegen, dass nicht Jeder seine Ergüsse platzieren kann. Ich suche nicht mehr in allen Download-Portalen, sondern meist bei den Labels direkt. Sonst würde ich nur noch durchhören, endlos!


Mixtape 2.0

David Jennings berichtet im Interview über seine Ideen zur „neuen Musiklandschaft im Netz“: Netz, Blogs und Rock ’n‘ Roll. Interessant auch das Social Networking Projekt Muxtape, das futureZone als die Rückkehr des Mixtapes feiert.


Interview with Dan Storper (Putumayo)

German version of the interview with the founder of Putumayo follows.

DJR: How did the first Putumayo Sampler come up? What did you think and how did you get the songs and the licences?

Dan Storper, Founder of Putumayo Dan Storper: The first four Putumayo CD releases were created in collaboration with Rhino Records, an LA-based record company. I had known the owner through my membership in a non-profit group called the Social Venture Network. We selected the music and they did the licensing. They helped us understand the licensing process. After 18 months, they lost interest and we took it all over.

DJR: If you compare the time of the beginning and today: Has something changed in production and distribution of new samplers?

DS: We’ve been able to build a database of more than 10,000 songs that we like and have distribution of our CDs in more than 100 countries. In the beginning, most of this was a mystery and we only sold our CDs in the US for the first few years. We’ve always tried to develop the non-traditional market, but that has accelerated as we’ve opened offices around the world.

DJR: How did the typical Putumayo cover idea come up, which is criticized as kitschy by some reviewers (imho it’s beautiful)?

DS: I met Nicola Heindl, the illustrator, in 1992, as I was getting ready to start our CD series. She was a friend of one of my employees and I’d bought one of her greeting cards which I’d posted on my bulletin board. Her friend recognized her style and mentioned that Nicola was coming over to NY from London. We met and I asked her to do the first CD covers. People seemed to really like the results so we continued to use her. While there are some people who don’t love her style, most people seem to really like it and we feel it connects people to the music on our CDs in a visual way.

DJR: Your Putumayo Kids series are quite successfull. How did you get the idea and what do you guess made it so popular?

DS: Several of my friends told me that their young children enjoyed our regular CDs but thought that it would be even better if we created a CD oriented towards children. The first CD, World Playground, was a big success for us and we continued releasing children’s CDs since it came out in 1999. Much children’s music isn’t appreciated by adults. We sought music which would appeal to people of all ages and I think that is its particular appeal. We also offer multi-lingual liner notes in English, Spanish, French and German.

DJR: With the sale of every sampler a small amount is given to charity for social projects. Why is it important for you and how do you make up your choice?

DS: Since I was a member of the Social Venture Network, I was inspired by people like Anita Roddick of the Body Shop and Ben Cohen of Ben & Jerry to contribute a portion of our proceeds to worthwhile non-profits. We research NGO’s who work in the regions where the music originates and try to pick the group that seems to make the most positive impact. Our focus is children and improving the quality of life in communities.

DJR: What do you think is the future of Putumayo? Are there new ideas, new projects in the pipeline? What can we look foward to?

DS: We’re working on a children’s book and TV series as well as a Brazilian music TV special. Our hope is to get more involved in creating other cultural products such as books and DVD.


Herr Czukay im Interview

Holger Czukay, lebende Legende und Geräuschearbeiter feierte seinen 70sten Geburtstag, die SZ interviewte ihn: Die anarchische Methode – via dosron mit einem weiteren Interview als Kommentar.

30.03.



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Ein DJ aus Sarajevo

Ein taz-Interview mit DJ Andrej Imamovic: „Wo ist die nächste Party?“.


Gärtner der Lüste: „Ästhetischer Kopilot“

Der DJ Gärtner der Lüste erzählt im Interview über seine erfolgreiche DJ-Entwicklung und über seine Arbeit als Compiler und „ästhetischer Kopilot“.

DJR: Wie bist Du DJ geworden, was motivierte Dich und gab es Stilwechsel?

Gärtner der Lüste: Mit 14 war ich mit meiner Klasse (reine Jungenschule) auf Klassenfahrt für ne Woche in Maria Laach, und es war zum Verzweifeln öde dort, bis am dritten Tag eine Mädchenklasse aus Bergneustadt in unserer Jugendherberge eintraf, die genau ein Jahr jünger war. Mit mehreren Jungs haben wir uns sofort verguckt, unter anderem ich, aber wir waren Lichtjahre zu schüchtern, um was in die Wege zu leiten. Also hatten wir, direkt in der ersten Nacht DIE Idee: Wir machen ne Party und laden die Mädels ein. Wir bekamen die Erlaubnis von den Lehrern, mein Kumpel Jakob und ich haben alle verfügbaren Kassetten zusammengezogen und den ganzen Nachmittag durch gehört. Dabei haben wir anhand des Laufwerks die Hits notiert und alle Kassetten auf einen Hit ein gespult. Mein Equipement an diesem ersten Auflegeabend war mein erster Radiorecorder von Grundig, der war zwar sogar noch Mono aber ordentlich laut. Ergebnis: fast alle haben getanzt und anschließend mindestens ein Dutzend Pärchen geknutscht, unter anderem auch ich, da viel mir die Berufswahl eigentlich nicht mehr schwer.

Bis es allerdings das erste Mal Geld für´s Auflegen gab, hat´s dann noch zehn Jahre gedauert. Stilwechsel gab es immer mal wieder, angefangen hab ich natürlich mit Pop und Rock, den Hits, die es so gab. Irgendwann hatte ich allerdings keine Lust mehr allzu bekannte Stücke wie ne Jukebox abzuspulen und Rock wurde mir langweilig.

DJR: Vielseitigkeit scheint Dein Programm zu sein: Du bietest spezielle Abende mit „Latin, Oriental, Reggae, Jazz, Lounge oder Soul und Funk“ an. Das deutet schon Deine beachtliche Sammlung an Musik an. Wie sammelst Du und wie merkst Du Dir, was Du alles hast?

Gärtner der Lüste: Alle diese Stile lege ich tatsächlich aktuell auf, sogar noch etliche mehr, allerdings am allerliebsten nicht in Reinkultur, sondern je nach Publikum und der Stimmung in einem spontanen Mix.

Musik sammle ich eigentlich wo ich geh und steh, meine Ohren sind immer im Einsatz. Höre ich beim Friseur, im Cafe oder bei Freunden interessante Musik, versuche ich sie aufzutreiben. Flohmärkte werden geplündert, ebenso Plattenläden wenn ich in anderen Städten oder Ländern auflege. Vor kurzem habe ich zum Beispiel Oye Records in Berlin ausgiebig heimgesucht und als nächstes geht’s durch die Läden in Barcelona. Natürlich wird auch mit allen möglichen Freunden und Kollegen getauscht. Zu meinem großen Glück kenne ich ne Menge Musik begeisterter Menschen.

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Die Stücke, die ich auflegen will, kommen immer sofort auf thematisch geordnete Sampler, die ich von Hand beschrifte und regelmäßig mal wieder höre. Klingt jetzt vielleicht ein bißken technisch, aber für mich ist der Ablauf so sehr gut.

DJR: Auf Deiner Site ist zu lesen: „Eine Spezialität des Gärtners ist loungen auf höchstem Niveau“. Was macht angesichts vieler steriler und schnell langweilig werdender Lounge-Produktionen ein gutes Lounge-Stück aus und wie findest Du Deine Perlen?

Gärtner der Lüste: Die Perlen sind ja in fast jedem Stil relativ selten, wenn man die Menge der Produktionen betrachtet. Ein gutes Loungestück ist zwar easy, es geht angenehm leicht ins Ohr, aber wenn ich zuhören will, muß es auch was Interessantes, eine Seele zu bieten haben. Die besten kann ich tausendmal hören und sie berühren mich immer wieder.

Momentan finde ich fast die meisten Perlen auf dem Label Chinchin, auf dem ich meine „Funky Plüsch“-Compilations veröffentliche. Der „Club des Belugas“ produziert einfach unglaublich geile Lounge-Musik, das Ende des Jahres kommende Album wird schon wieder ein Hammer.

DJR: Du hast Deine Samplereihe „Funky Plüsch“ angesprochen. Wie kam es zu dem Titel und wie war der Weg zur ersten Compilation dieser Dreierreihe?

Gärtner der Lüste: Freunde von mir, Moca aus Bochum (die ich sehr verehre), hatten endlich ihren ersten CD-Vertrag, die Stücke waren fertig, hatten aber noch keine Namen. Also haben wir uns gemütlich zusammengesetzt, die CD zweimal durch gehört und Namen vergeben. Ein Stück wollte ich sofort in „Funky Plüsch“ benennen und die Jungs fanden die Idee sehr gut. Monate später hatte ich eine prima Lounge-CD zusammen gemixt, wollte aber im Titel nichts mit Chill oder Lounge haben. „Funky Plüsch“ war im Mix enthalten und dann dachte ich: „Warum nicht die ganze CD so benennen?“

Der Mix selber war für den privaten Gebrauch gedacht, aber etliche Freunde haben mich angespornt, sie zu veröffentlichen, weil sie von diesem Mix fast schon süchtig waren. Ein Jahr hab ich nach nem Label gesucht und als ich gerade aufgegeben hatte (fast), ist mir das Label zufällig über den Weg gelaufen. Meine Hauptforderung für den Release war, dass er genau so, wie ich den Mix hin bekommen hatte veröffentlicht werden sollte. Reimar Philipps von den Popagenten hat bei der Lizenzierung alles gegeben und tatsächlich alle 16 Stücke frei bekommen, was eine Art Wunder war, das ich bis jetzt nicht wiederholen konnte. Immer fallen irgendwelche Stücke weg! Bei der ersten Funky Plüsch hätte es fast „Fly me to the moon“ von Julie London erwischt, ausgerechnet auch noch das Titelstück; die EMI erklärte, die Künstlerin hätte ihr okay nicht gegeben. Dann fand ich aber heraus, dass Julie London bereits Jahre zuvor verstorben war. Das war ihnen dann wohl peinlich.

DJR: Eine Samplerreihe aufzubauen ist ja nicht gerade einfach. Auf was muss man achten und wie sieht eine ungefähre Kalkulation aus?

Gärtner der Lüste: Samplerreihen gibt es ja wie Sand am mehr, allerdings halte ich von etlichen nicht sehr viel, zumeist weil sie relativ gesichtslose Produktionen sind, die musikalisch und / oder optisch nicht sehr viel zu bieten haben. Häufig geht es nur um den Profit, das Artwork ist billig oder wiederholt immer die gleichen Klischees, wie zum Beispiel die Sofas auf Lounge-Compilations.

Wichtig ist mir, dass alle Stücke auf einer Compilation Herzensangelegenheiten sind, Musik, die ich immer wieder auflege und auch ein gutes Feedback aus dem Publikum dafür bekomme. Allerdings steckt in einer solchen Compi nicht viel Geld für den DJ, aber dafür kann man solche CDs auch sehr oft hören, ohne dass sie langweilen. Die steigenden Verkaufszahlen bei der Funky Plüsch-Reihe geben mir allerdings Recht, was die Nachhaltigkeit betrifft.

DJR: Du erstellst mittlerweile auch Remixe auf „chinchin records“. Wie erarbeitest Du sie dir, was machst Du besser und wie heißt Dein erfolgreichster Remix?

Gärtner der Lüste: Die Remixe entstehen bislang immer in Kooperation mit Christian Becker (Moca) oder Martin Kratzenstein (Club des Belugas), da ich vom Schrauben nur sehr wenig Ahnung habe. Wenn ich ein Stück höre, das mir gefällt, von dem ich mir aber auch eine deutlich andere Version vorstellen kann, frage ich einen der beiden, ob sie Lust und Zeit für einen Remix haben. Ich besorge dann die Spuren, bin beim Remixen eine Art ästhetischer Kopilot und sorge für die Veröffentlichung. Der erfolgreichste war bislang der erste Remix. „Wildcats gotta move“ vom Club des Belugas im Becker vs. Gärtner der Lüste-Remix war auf Anhieb in den Deutschen Club Charts, ist bis auf Platz 3 geklettert und wurde bislang vier mal auf weiteren Compilations veröffentlicht.

Der zweite Remix (Moca: Post it) ist aber auch gerade seit ein paar Wochen raus. Als nächstes wird ein Remix von Christian und mir für die Mo‘ Horizons erscheinen.

DJR: Du sammelst seit einiger Zeit fleissig internationale Erfahrung als DJ. Bestätigst Du die Annahme, dass man es als vielseitig orientierter DJ in Deutschland schwerer hat, da hierzulande das Schubladen- und Puristendenken ausgeprägter ist.

Gärtner der Lüste: Meine durchweg positiven Erfahrungen in den verschiedensten Ländern erkläre ich mir eher so, dass die Menschen zum Beispiel in Mexiko sehr viel begeisterungsfähiger sind und deutlich losgelöster feiern. Auch in Deutschland hatte ich schon sehr geniale Abende, aber im Schnitt sind die Gigs im Ausland euphorischer.

DJR: Gibt es einen Gig, der Dir in besonderer Erinnerung geblieben ist?

Gärtner der Lüste: Da gibt es so einige. Einen sehr besonderen Abend hatte ich beim ersten Berlin-Gig vor einigen Jahren im Kachelclub auf der Oderberger Straße, den es leider nicht mehr gibt. Von 12 Uhr an habe ich bis morgens um sieben aufgelegt, es wurde schon beim ersten Stück ausgelassen getanzt, keiner hat gemeckert, im Gegenteil, die Leute haben mich angefeuert und sich immer wieder bedankt. Die Veranstalter hatten mit 300 Gästen gerechnet, aber es waren mindestens 900, so dass es um 2 Uhr schon kein Bier mehr gab, um 3 Uhr keinen Wein, um 4 Uhr keinen Wodka und als ich aufgehört habe, gab es nur noch alkoholfreies Bier. Das hat die Tanzenden aber nicht aufgehalten.

DJR: DJ-Auftritte, Remixe, Compilations, was steht in nächster Zukunft an und welche Ziele stehen aus?

Gärtner der Lüste: Momentan bin ich für vier Wochen in der Nähe von Gerona in Spanien und lege in einem Sonnenblumenfeld auf. Der Club heißt „Mas Sorrer“ und ist für mich eine Sensation, weil dort am Wochenende fast 1000 Katalanen hinkommen, um auf Jazz und Artverwandtes zu feiern. Der Club ist open air und die Atmosphäre ist unvergleichlich schön. Gegen Ende des Jahres werde ich wohl für 3 Monate nach Peking gehen und auflegen.

DJR: Vielen Dank für das Interview

Edit: In Kürze werde ich die vier Lounge-Sampler von dem Gärtner hier vorstellen, wie immer mit einem Kurzmix der angenehmen Art ;-)
Update: Was hiermit geschehen ist.


„Die Beats haben dann doch gewonnen“

Im Interview erzählt DJ Robert Soko über die „Geburtsstunde der BalkanBeats“, die Entdeckung der Roma-Musik und seine Arbeitsweise als DJ.

DJR: Du bist 1989 von Deiner Heimatstadt Zenica in Bosnien nach Berlin gezogen. Wie kam es dazu und wie waren Deine ersten Erfahrungen in Deutschland?

DJ Soko: Damals als junger Mensch wollte ich unbedingt ins Ausland, um zum Beispiel eine Fremdsprache zu lernen und etwas anderes zu sehen und zu erleben. Es ergab sich eine Gelegenheit nach Holland zu gehen, so landete ich erstmal in Rotterdam, wo ich ein Jahr verbrachte. Ich war auch auf der Suche nach einem Job.
Danach ging ich nach Deutschland und kam schließlich dank einer Frau nach Berlin, damals Ost-Berlin. Um ehrlich zu sein, hat es mir in der ersten Zeit gar nicht sooo gefallen. Später aber entdeckte ich die Vielfältigkeit Berlins und seine vielen Gesichter. Ich fing an, Berlin zu lieben und bis heute noch bin ich ein Berlin-Fan und liebe die Stadt sehr. Gelebt habe ich in der Zeit von verschiedenen Jobs vom Bauhelfer bis zum Taxifahrer. In den letzten vier Jahren habe ich als Sprecher und Moderator fürs Radio und TV Deutsche Welle gearbeitet.

DJR: Und die DJ-Karriere, wie begann die?

DJ Soko: Als damaliger Taxifahrer fing ich an, sporadisch Musik in der Kreuzberger Kneipe Arcanoa aufzulegen. So hat es begonnen. Aus Spaß feierte ich mit anderen Ex-Yugos die alten sozialistischen Feiertage, die nicht mehr gefeiert wurden. Das nannte ich Cultur-Recycling. Diese Idee kam gut an bei den jungen Flüchtlingen und im Laufe der Zeit besuchten immer mehr Menschen unsere „Partys“. Es hat sich halt herumgesprochen. Und das war die Geburtsstunde der „BalkanBeats“. Ich fand den Namen zu unseren „Aktivitäten“ passend. Am Anfang aber war die Frage: Nennen wir es BalkanBeast oder BalkanBeats, die Beats haben dann doch gewonnen. Und so wie es heute aussieht, ist der Begriff BalkanBeats eine Genre-Bezeichnung, eine Musikrichtung, die in ganz Europa benutzt wird und ich bin halt sehr froh darüber.

DJ Soko in Turin im November 2006
Foto: DJ Soko in Turin, November 2006

DJR: Wie hast Du die Roma-Musik entdeckt und was bedeutet sie für Dich?

DJ Soko: Also, die Roma-Musik kannte ich noch aus meiner Jugendzeit, allerdings war ich damals nicht so der richtige Fan dieser Musik. Dann aber in Deutschland, vor allem mit dem Durchbruch von Goran Bregovics Musik, entdeckte ich eine Neigung zu diesen Rhythmen, die sehr lebendig und tanzbar sind. Und so fing ich an, Roma-Musik zu sammeln und schließlich aufzulegen. Das, was ich sah, war sehr erfreulich: Die Leute tanzten sehr wild dazu und die Stimmung war großartig. Also, dachte ich, warum sollte man solche Musik nicht auflegen, zumal das keiner macht. Diese Musikrichtung war in Europa zu dieser Zeit sehr „unbekannt“ und wie man so schön sagt: „Nischenhaft“. Diesen Begriff hörte ich zum ersten mal von einer Frau, die für Sony BMG arbeitete. Das Wort war ihre Antwort auf meine Frage, ob Sony BMG vielleicht Interesse daran hätte, eine Balkan-Compilation zu veröffentlichen. Nein, hieß es, das wäre ihnen zu „nischenhaft“. Hey, das war Ende der Neunziger Jahre und heute, anno 2007, arbeiten Sony-Leute an einer grossen Balkan-Compilation. Interessant, nicht wahr?!

DJR: Im Laufe der letzten 5 oder 6 Jahre kam es ja zur Symbiose zwischen traditioeneller Roma-Musik und Elektro-Beats. Kannst Du sehen wie sich das entwickelt hat und welchen Anteil Deine Freunde und Du daran haben?

DJ Soko: Na ja, immer mehr DJs machen die gleiche Erfahrungen mit – sagen wir lieber Ethno-Musik und geben ihren „Senf“ dazu. Ich selbst war und bleibe ein „Selector-DJ“. Heißt, ich mache keine Remixe, ändere die Songs nicht, sondern meine „Aufgabe“ besteht eher in der „Entdeckung“ tanzbarer Lieder und der Vernetzung von DJs. Verschiedene DJs und Bands schicken mir mittlerweile ihre Musik zu. Und die meisten von ihnen sind froh, dass ich ihre Musik europaweit in den Clubs spiele. Und so kommt es auch dazu, dass meine Musiksammlung immer auf dem neusten Stand ist.

DJR: Wie entsteht so ein wunderbarer Sampler wie Balkanbeats Volume 2 mit diesen ganzen bekannten und unbekannten Musikern aus halb Europa?

DJ Soko: Wie gesagt, ich bin immer auf der Suche nach neuen Sachen und vieles bekomme ich mittlerweile zugeschickt. Dann machen wir eine Selection und zwar zusammen mit dem Publikum in den verschiedenen Clubs: Ich als DJ lege die Songs auf, die ich gut finde, mache also den Leuten Vorschläge. Und wenn ich sehe, dass die Leute dazu tanzen, weiss ich, was auf die CD kommen könnte, vorausgesetzt die Musiker selbst sind damit einverstanden. Also, in meinen Augen ist ein Sampler eher Resultat einer sogennanten „Interaktion“ zwischen DJ und dem Publikum, die Entscheidung wird sozusagen auf der Tanzfäche getroffen.

DJR: Wo und wie hast Du Dir damals deine Musik zum Auflegen besorgt, wie machst Du es heute?

DJ Soko: Früher habe ich die CDs selber gekauft, vor allem in den ExYu-Ländern. Heute gibt es halt Internet, das die ganze Sache beschleunigt hat. Der Mensch entdeckte MP3. :-)

DJR: Als DJ interessiert mich Deine Arbeit als DJ, technisch gesehen. Nur Vinyl, streng auf gleiche Geschwindigkeit fixiert? Oder spielt Technik kaum eine Rolle, weil Deine Sets wesentlich von den Gästen und der Atmosphäre im Raum abhängt?

DJ Soko: Kein Vinyl, schon lange nicht mehr. Nur CDs. Und die Technik spielt kaum eine Rolle in meinen Sets. Es geht viel mehr um mein Gefühl für die Atmosphäre, fürs sogenannte „up and down“ und die Gäste, die dazu tanzen. „Keep the room going“ ist die Regel Nummer eins.

DJR: Zuguterletzt aus Eigennutz gefragt: Ist der dritte Sampler bereits in Arbeit und wann kommst Du einmal ins Ruhrgebiet? ;-)

DJ Soko: Der dritte Sampler sollte im Februar 2008 rauskommen, allerdings habe ich die Musik dafür noch nicht, ein großer Teil fehlt noch. Ruhrgebiet? Na ja, sobald mich jemand einlädt, komme ich. :-)

DJR: Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg.

Links zum Thema BalkanBeats


Mavis Staples im Interview

Vor kurzem brachte die taz ein Gespräch mit der „Gospel-Legende“ Mavis Staples. Ihr neues Album We’ll Never Turn Back wartet mit traditionellen Songs der US-amerikansichen Bürgerrechtsbewegung auf, entsprechend wird sie in der Überschrift zitiert „Wir sollten uns bewegen“.


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